Blaue Rosen

Blaue Rosen 2

Posted on Monday, April 12th, 2004 by tritus

Eigentlich ist uns den Ganzen Abend über nichts besonderes aufgefallen. Oder? Einige haben getanzt, andere haben miteinander geredet, wie es nunmal so ist. Keiner ist wirklich aus dem Rahmen gefallen. Es gab keinen lauten Ton, keine seufzer, nicht einen Tropfen Schweiß. Ich wollte eigentlich schon nach Hause gehen, aber meine Freundin hielt mich zurück.
Ja, es war doch eigentlich ganz nett, nur diese Müller hat mal wieder zu viel gesoffen.
Was heißt denn mal wieder, sie hat doch nie gesoffen.
Du kennst sie wohl besser als ich. Sie hat gesoffen und war ständig mit diesem Typen zusammen. Der hing ihr immer an den Fersen, hat sie garnicht in Ruhe gelassen.
Deshalb war sie aber doch nicht so betrunken, vielleicht hat ihr einfach der Wein geschmeckt, und wir wissen doch alle, wie das ist, wenn man plötzlich, man weiß garnicht wie einem geschieht, kalten Schweiß auf der Stirn hat und das Wasser läuft einem im Mund zusammen. Man könnte fast meinen man bekäme Appetiet.
Appetiet?
Vielleicht mehr so eine Lust seine eigene Scheiße zu fressen.< Vielleicht nimmst Du Dich mal ein bisschen zusammen. Entschuldigen Sie ihn Inspektor, er vergisst manchmal. Sie war meine Freundin, wir haben uns vor einigen Monaten kennengelernt. „Sie sind erst in die Stadt gezogen. Aus beruflichem Interesse?“ Das kann man so sagen. Ich habe sie sehr geliebt. „Hat sie Sie denn auch geliebt?“ Nein, wir waren für kurze Zeit ein Paar, dann hatte sie irgendwo einen anderen… „Sie hat sich von Ihnen getrennt?“ Ja, geau. „Wegen eines anderen Mannes?“ Ich weiß nicht genau, ich habe ihn nie gesehen, sie hat auch nie darüber geredet. Vielleicht war ich nur eifersüchtig. „Sie waren Stephanies Freundin?“ Wir sind gemeinsam zur Schule gegangen und haben seither immer viel gemeinsam gemacht. Wir fanden die gleichen Klamotten schick, verliebten uns in die gleichen Männer, liebten das selbe kleine Eiscaffee, in dem wir mindestens einmal in der Woche zusammen gesessen haben. Sie wird mir so fehlen. Der Platz am Fenster ist seither immer leer. Der an dem wir immer gesessen hatten. Wenn er besetzt war sind wir wieder gegangen. Jetzt setzt sich niemand mehr dorthin. „Beruhigen Sie sich! Gehen sie nach Hause und ruhen Sie sich ein wenig aus! Kommen Sie zu mir, wenn Sie sich besser fühlen!“ Ha! Nach Hause gehen, haben Sie eine Ahnung, alles was ich dort finde muss mich an sie erinnern, ich kann nie wieder nach Hause, ich werde mich nie wieder besser fühlen. Stellen Sie Ihre Fragen, ich werde so gut es geht darauf antworten. „Haben Sie sich gestritten?“ Ja, wir haben ein wenig gestritten, aber das war ohne Bedeutung. „Worüber haben Sie gestritten?“ Das kann man schwehr erklären. Ich wollte wissen, warum sie mir immer aus dem Weg geht. Sie hatte Sorgen, ich wollte ihr helfen. „Scheinbar wollte sie Ihre Hilfe nicht?“ Nein, sie wollte meine Hilfe nicht, sie wollte garnichts von mir. „Und warum haben Sie sie dann nicht zu Frieden gelassen?“ Ich weiß nicht, stellen Sie nicht solche Fragen, sie wissen doch selber wie das ist. „Ich weiß es eben nicht, sonst würde ich nicht Fragen. Es gibt da einige Tatsachen, die mich wirklich beschäftigen. Und eine ist, dass sie offenbar mit Frau Müller Meinungsverschiedenheiten hatten, und eine andere ist, dass Sie sie später tot aufgefunden haben. Also, worüber haben Sie mit Stephanie gestritten, das würde mich schon interessieren?“ Ich habe mich garnicht mit ihr gestritten, und ich habe sie erst recht nicht umgebracht. Ich habe sie geliebt, wie hätte ich sie da umbringen können. „Kennen Sie diesen Thomas Lichtenstein, wissen sie in welchem Verhältnis er zu Ihrer Freundin stand?“ Ja, ich kenne ihn gut. Er war mit Stephanie zusammen, aber nur ganz kurz. Sie hat ihn sausen lassen, ziemlich dumm, Thomas war echt süß. Sie hat ihm den Laufpass gegeben und er hat es nicht geschnallt. Ist immer hinter ihr hergelaufen. Am Anfang hat sie das ziemlich genervt, und ich konnte nicht verstehen, warum so ein süßer Typ, der ganz leicht auch ne andere haben konnte, wie besessen hinter Stephanie herlaufen musste. Er hat sie angerufen, abends, hat ihr Briefe geschrieben, meterlang, und er ist überall da gewesen, wo sie auch war. Wo er nicht eingeladen war, hat er sich reingeschmuggelt. Hat alles vernachlässigt, war besessen von ihr. Ihr hat das irgendwann gefallen. Sie hat sich einen Spaß daraus gemacht mit ihm Katz und Maus zu spielen. Es blieb ihr auch nichts anderes übrig, sie hatte ihn ja eh immer am Hals. Irgendwann hatte Sie aber genug. Sie wollte ihn einfach nur loswerden. Loswerden, um jeden Preis. Er hat genervt, mehr als je zuvor. Der Typ war total runtergekommen. Guten Abend Inspektor. Ich fürchte ich muss sie enttäuschen. Weder mir noch meiner Frau ist irgend etwas aufgefallen. Wir haben den ganzen Abend etwas zurückgezogen zugebracht. Die Feier war nur für die Gäste, die haben schließlich erwartet, dass das Brautpaar anwesend ist, um alle Glückwünsche auszurichten und Fotos zu machen und so weiter. Dieser schreckliche Vorfall liegt nun wie ein schwehrer Stein auf unserem Leben. Wir finden beide keine Ruhe. Immer müssen wir an das arme Mädchen denken, dass auf so grauenhafte weise sterben musste. Was für ein schreckliches Ende. Ich kannte sie kaum. Sie war eine sehr gute Freundin von Patricia Haferfeld, die meine Frau Jasmin regelmäßig getroffen hat. Sie haben gemeinsam viel unternommen, ich habe mich daran kaum beteiligt. Ich kann mich aber noch recht gut daran erinnern, wie ich sie vor ein paar Monaten kurz kennenlernen durfte, als ich sie von einer Party nach Hause gebracht habe. Es war schon sehr spät und es hat sehr stark geregnet. Ich war der einzige, der noch fahren konnte. Damals hatte sie diesen Jungen dabei, der auch auf dem Hochzeitsfest aufgetaucht ist. Sie schienen sehr glücklich. Seither habe ich sie nur flüchtig gesehen, wir hatten auch nicht viel gemeinsam. Smith fährt nach Hause. Er hat lange nicht in einem Bett geschlafen, nichts drängt ihn, aber er braucht einen neuen Anzug, frische Socken. Seit drei Tagen hat er schon nichtmehr gewechselt, seit drei Tagen war er schon nicht mehr bei ihr. Die Lichter spiegeln sich auf den Straßen. Ruhig und seltsam lockt die Nacht. Die Stadt ist etwas besonderes heute Nacht, sie ist so reich an Licht, so reich an Wegen, doch ist sie, scheint sie dem Vergessenen so endlos verlassen, wie ein Stein in der Wüste. Die ganze Nacht stehe ich an der Laterne und lasse den warmen Regen auf das Dach des Wagens fallen. Es ist November und die Straßen sind nass. Eine Ewigkeit will ich so stehen. Kann in einem Moment die Ewigkeit vergehen? Ich fühle mich ewig. Schrecklich sind die Menschen in dieser Welt. Drogen Verbrechen und Geld. Kann man alles vorhersehen, wenn man seinen Blick auf das geringste beschränkt? Warum bin ich nie allein? Mein Herz ist warm, selbst in der größten kälte bin ich daheim. Nur nach Hause, kann ich, will ich nicht gehen. Die Tote auf einem Klo. Eine Tote auf dem Klo. Wir haben uns die ganze Nacht gestritten, ich bin ihr auf die Toilette gefolgt. Zuerst bin ich ihr nachgelaufen. Ich konnte nicht verstehen. Ich wollte nicht, ich liebte sie. Sie liebte sich selbst. Sie wollte allein sein. Sie erzählte mir von einem anderen, den sie liebte, ich sagte ihr, das könne nicht sein, bat sie um eine Chance. Ich sah meine Seele vergehen. Ihr schien es immer schlechter zu gehen. Als sie verschwunden war, habe ich nach ihr gesucht, sie nicht gesehen. Sie musste sich auf die Toilette zurückgezogen haben. Das Spiel ist nicht neu, wir hatten es oft sogar mehrmals am Tag. Sie versuchte mich durch solche Dinge zu erniedrigen. Es machte ihr Spaß zu sehen, wie ich um ihretwillen immer mehr Skrupel verlor. Ich hatte bald alle Hemmungen verloren. Ich wartete, lange, dann ging ich hinein. Ich war allein. Schaute mich um, wollte gerade gehen, da sah ich, wie eine Tür verschlossen war. Ich wusste dass sie es war. Sie schloss sich ein, ich hämmerte an die Tür. Sie antwortete mir nicht. Jede andere hätte geantwortet. Klar, heute findet man mehr Leichen auf einem Klo als im Straßenverkehr. Zwar sind alle erstickt, aber keine ersoffen. Die Autotür knallt, der Motor heult auf. Wir sind unterwegs ins Büro. Ich muss mir morgen unbedingt neue Sachen kaufen. Immer das gleiche, ganz egal. Arme Stephanie. Sie war so allein in ihrer kalten Not. „Ich blute, wenn Du das liest, ist es zu spät. Adieau…“ Ein Bad voller Kerzen Warm ist die Seele in diesem Augenblick Rot verschwinden die Füße Tränen, ein Meer Ich liebe Dich Komm niemehr zurück. Ein Tränenmeer Ein rotes Meer ein Meer von Gold Mir ist so kalt Mir ist heiß Mir ist so wundervoll Ein Meer von Gold ein Tränenmeer Ich komme niemehr zurück Ich wünsche mir den schönsten Tod Und dir noch recht viel Glück Du brauchst mich nicht Ich brauche Ruh In heißem Bad die Augen zu. Langsam hebt sich der Geist. Ich habe mein zu Hause verloren, verloren der kleinen Familie Glück. Was ist mir nur so weh darum. Ich klopfe, ich rüttle an der Tür. Nichts regt sich. Plötzlich höre ich, wie einige Mädchen den Waschraum betreten. Ich bekomm
e wieder Angst aufzufallen, denn die jungen Dinger hätten sicher ein riesen Geschrei erhoben, hätten sie einen Mann auf ihrem heiligsten Boden entdecht. Also bin ich schnell in die Nachbarkabine gehuscht, habe möglichst lautlos die Tür geschlossen und mich auf den Toilettendeckel gestellt, damit man meine Füße nicht sieht. Ich dachte mir, dass es auch recht auffällig ist, dass man keine Füße sieht. Erinnerte mich aber daran, dass ich selbst darauf nicht geachtet habe, als ich an der Nachbarkabine rüttelte und fasste einen Plan.