Pjotr Zarewitch

Newa

Posted on Wednesday, October 30th, 2019 by TriTuS

Als Pjotr Zarewitch heranreifte, baute er sich selbst ein Haus in dem ärmeren Viertel seiner Stadt, in dem sehr viele Ausländer lebten, und als er mit der Arbeit fertig war, setzte er sich ans Ufer und schaute lange über den Fluss. Er betrachtete die Dächer der einfachen Leute und bewunderte aus der Ferne den königlichen Palast. Er kannte keine Hast und keine Eile, legte sich sein Tagewerk zurecht, aß und trank mit den einfachen Leuten, lernte einige fremde Kulturen kennen und konnte bald den Hammer schwingen und die Säge, es fiel ihm leicht lange Balken zu schleppen und in verschiedenen Dialekten zu sprechen. So konnte er sein Haus am Fluss immer weiter verbessern und an einem schönen Frühlingstag, als sie gemeinsam vor dem dicht gedeckten Dach saßen und lachten und spielten und zechten, da überraschte es ihn, denn es wusste von ihnen keiner, woher er stammte, dass einige seiner Gefährten neidisch waren auf die hohen steinernen Mauern des Palastes und dessen goldene Kuppeln, die so bunt und fast ein bisschen ulkig waren, weil keine der anderen gleichte, als hätten viele Baumeister in unterschiedlichsten Epochen und zu unterschiedlichsten Zeiten diese Architekturen entworfen, und wie Pjotr wusste, der eine ohne auf den anderen zu achten, welche den Bau dann in einem einzigen Jahr hunderten ungebildeten Bauern überlassen hatten, die mit Herz und Seele, so wie er seit seiner frühesten Kindheit zu fühlen vermochte, versucht haben wollten diesem Durcheinander an Formen und Farben etwas einheitliches und leichtes zu geben. Sie wollten die Türme so aussehen lassen, als sollten sie dem Volk etwas verbindliches sagen, etwas – das ihr gewaltiges Reich einte und die Baumeister ehrte. Die Baumeister berauschten sich gern und verzehrten die fettesten Speisen, bis das Bauwerk fertig war und sie ihren Lohn in Gold und hell leuchtenden Steinen beanspruchen konnten, hatten sie über die Planung hinaus keinen einzigen Handschlag getan.

Sie zogen hinaus in die Welt und waren für immer verschwunden. Die Bauern, nachdem das Werk vollbracht und sie noch gesund waren, so brauchte niemand zu fragen, kehrten zurück in ihre Dörfer, und mit leeren Händen bestellten sie ihre verwahrlosten Felder neu, bis diese endlich reiften, die Frauen wieder blühten und ihre Kinder satt waren.

Pjotr kannte die wirren Gänge und wild ausgestatteten Räume, in denen dickes Gold an den Wänden klebte und Elfenbeinreliefs von den Decken hingen, in denen sich der weitreichende Teppichboden dicht gewebt mit reichen Ornamenten an glatte Säulen aus Marmor stützte und seine kleinen Füße oft den ganzen Vormittag brauchten um zur Mutter zu laufen, die noch im selben Saal saß, da sein Herz ihn lockte einen Kuss zu empfangen und die Erlaubnis ein wenig in ihren Armen zu weilen.
Alle Bewohner der Stadt lebten in Holzhäusern die Armen wie die Reichen und Pjotr fand daran nichts unechtes, streichelte lange einen Dielenbalken, bevor er auf den Kissen aus Stroh am Abend dann Ruhe fand und vermisste mit keinem Gedanken den weißen und makellosen Stein. Das Holz war warm und vermittelte ihm auf eine eigentümliche Art Ruhe und Geborgenheit, er war eins mit der Seele seines Volkes.

Doch bald fanden ihn die Palastwachen und berichteten vor dem Throne, in welcher Weise der zukünftige Herrscher seine Jugend gestaltete. Alle waren Erbost, die Mutter und alle Onkel und Tanten, doch sie ließen ihn eine Weile in Ruhe gewähren in der Hoffnung, er möge selbst zur Besinnung kommen und wurden nicht müde, sooft sie ihre Geschenke auch zurück bekamen, den Erben eines unfassbar zahlreichen Volkes und unglaublich riesigen Reiches nach ihren eigenen Vorstellungen zu unterstützen.

Nach einer Weile holten sie ihn zurück, rissen sein Haus nieder und bestraften ihn hart, indem sie ihn Zwangen unter Aufsicht strenger Generäle ein Heer aus Bauern, Reitern und Soldaten in lang ausgedehnte Märsche und Manöver zu führen, ihnen streng zu befehlen und sie auf das Schlachten vorzubereiten. Die Familie sagte, das sei für einen zukünftigen Herrscher das Beste, und nichts könnte den Schliff solch einer Erziehung entbehren. Pjotr indessen sah das ganz anders, führte seine Männer in dichte Wälder, sammelte um sich einige wenige Gefährten und machte sich unter dem Vorwand zum Vergnügen zu jagen heimlich aus dem Staub.

Die Generäle, die ihn bewachten hatten nicht die leiseste Ahnung von seinem Vorhaben, ja sie waren sogar stolz und belobigten sich gegenseitig, dass ihre Bemühungen ihn zum Manne zu formen endlich fruchteten, denn Pjotr hatte schon sehr früh angefangen den Verzehr von Fleisch zu vermeiden, er bevorzugte Milch und Käse, Gemüse und Früchte, er wünschte sich oft in der Küche gekochte Wurzeln und Beeren, und er aß auch gern von der Kohlsuppe, die nur zum Verzehr der Bediensteten gedacht war. Freilich musste er das heimlich machen.

Endlich ging der Junge Herr auf die Jagt sagten sie sich und konnten mit vor Stolz geschwollener Brust ihr Glück kaum glauben. Sie sollten es auch nicht glauben dürfen, denn nach einigen Tagen erreichte sie die Nachricht von am selben Abend als Helfer ausgeschickten Soldaten, dass der junge Herr nirgendwo zu finden sei und seine Spuren, so musste bezeugt werden, hatten sie verloren. Die Generäle wussten, eine Jagt könne schon ein oder zwei Tage dauern, sie hatten mit reicher Beute gerechnet und waren bemüht große Gelage auszurichten um das Jagtglück zu ehren und ihrem Schützling gehörig auf die Schultern zu klopfen. Jetzt kauten sie auf ihren Bärten und wussten nichtmehr ein noch aus.