Blaue Rosen

Blaue Rosen 1

Posted on Monday, April 12th, 2004 by tritus

Smith ist mal wieder zu lange im Büro geblieben.
Was sollte er schon zu Hause?

Gleich wird sie anrufen, es ist schon zehn vor elf. In einer halben Stunde spätestens ist es soweit. Sie wird fragen, wann ich komme, dann wird sie erzählen, was sie schönes gekocht hat, dann was heute im Fernsehen läuft, und zum Schluss wird sie wieder anfangen zu heulen, wenn ich ihr sage, dass ich heute wieder viel zu tun habe, dass ich vielleicht über der Arbeit einschlafe – wie jeden Abend. Und während ich hoffe, dass noch ein neuer Fall auf meinem Tisch landet, noch in der Nacht, wird sie mich beschimpfen, sie wird schreien, sie wird fluchen, sie wird mir sagen, dass ich mich in Acht nehmen soll, dann legt sie auf. Morgen früh liegen meine Hosen dann auf der Straße, vor dem Fenster. Am Mittag liegen sie dann wieder im Schrank, weil keiner da war um sich darüber zu ärgern.

So saß er über den Akten und studierte die Aussagen der Zeugen.

Es sind immer dieselben, die etwas gesehen haben, was es garnicht gibt, es sind immer dieselben, die etwas verbergen, was es nicht geben darf, und es sind immer dieselben, die von nichts eine Ahnung zu haben scheinen.
Nur die Toten sind immer anders.
Die Toten sind niemals dieselben, einzigartig, sie haben charme, erzählen immer eine eigene Geschichte..

Eine Geschichte, die ihm jedesmal den Schlaf raubte, die ihm keine Ruhe ließ, bis sie ihn in Ruhe lassen.

Das Telefon klingelt. Das wird sie sein, sie schon wieder und er wird für einen Moment alles vergessen müssen, alles was ihm wichtig ist um über so belanglose Dinge wie das Fersehprogramm sprechen zu müssen. Das Telefon klingelt, klingelt.
Hallo,
Ja, was, ja ich komme, ja gleich.
Das Telefon schweigt.
Eine Tür fällt ins Schloss, diesmal wird sie keinen erreichen, sie wird es die ganze Nacht klingeln lassen, sie wird neben dem Telefon einschlafen. Durch das Signal wird sie ein warmes Gefühl haben und wissen, dass ein Teil von ihm geblieben ist, während er in diese starren Augen sieht, er, den es nicht gibt, fallen ihre ruhelosen langsam zu und pressen die Tränen über ihre Wangen, die so nie geflossen währen, weil sie zu lange schon warteten..

Ja, er ist allein, immer allein. Er will allein sein. Ich bin allein, immer allein, doch mein Herz will bei Dir sein.
Mein Geist ist bei Dir, ich träume von Dir, ohne mich würdest Du frieren, ohne mich würdest Du nichts kapieren, ich weine die Tränen, die Du nicht vergießt. Ich zittere starr, wenn Du schwarzes Blut vor Dir siehst.

Die Straßen sind nass, wie immer, wenn ein Mord geschieht, wie immer wenn mir eine Seele entgegenfliegt um zu flüstern, um Hilfe zu flehen.
Wer wird es diesmal sein?

Ein armes Mädchen. Lag auf kalten Fliesen, in einer kalten Lache. Mit weit aufgerissenen Augen, mit blauen Lippen, mit verkrampten Händen.

Immer ist es nass, wenn jemand ertrinkt.
Sie ist ertrunken, ja?
Sie ist in einer Toilette ertrunken, schön. War es Selbstmord?
Nein. Sie hat sich gewehrt, sie war mit ganzer Seele dabei, die hatte nicht nur ein Leben zu retten, ihr eigenes.

Das Telefon klingelt, keiner ist da. Es klingelt.

Ich komme heute spät nach Hause, ja, es ist etwas passier, ein Mord vielleicht, ja, vielleicht ein Mord. Keiner darf weg, überall sind Bullen, ja, Bullen und ein Inspektor, die Feier ist geplatzt. Die arme Braut, sie liegt in Tränen. So lange hat sie sich auf diese Hochzeit gefreut, und es war ein wunderbarer Abend, einfach wunderbar. Doch dann eine Tote. Eine Tote auf dem Klo.

Eine wunderbare Hochzeit.
Hat jemand das Opfer gekannt?
Sie heißt Stephanie Müller. War sie alleine hier?

Ich hab sie gefunden. Sie lag auf den Knieen, ihr Kopf versank in dem überlaufenden Klo.
War sie tot?
Sie hat nicht gelebt, es war alles ganz blau in ihrem Gesicht, blau waren die Fingernägel, blau starrten mich ihre weit aufgerissenen Augen an, starrten an mir vorbei, ins Leere, ins Nichts, in die Ewigkeit.
Ich hab sie gefunden.

Sie lag in einer Pfütze kalten Wassers und in Erbrochenem.
Sie hat zuviel getrunken, ja. Ich hab sie nie so gesehen. Sie hat getrunken und gelacht, dann haben wir uns ein bisschen gestritten und sie ist abgehauen, einfach so und hat weitergesoffen. Ich hab sie noch nie so betrunken gesehen.

Sie rannte weg, doch sie rannte aufs Klo. Dort hat sie sich übergeben, maßlos übergeben.

So hab ich sie gefunden. Sie kniete vor dem Klo und ihre Haare schwebten leicht im Spühlwasser, ihre Arme hingen schlaff herab, sie war tot.

Eine wunderbare Hochzeit, den ganzen Abend war alles so schön. Wie konnte das passieren, es muss doch jemand gemerkt haben? Sie hat viel getrunken, aber wer macht sich da schon Gedanken, jeder wird für seine Sünden sofort bestraft, so ist es nunmal. Aber gleich tot, das geht doch nicht mit rechten Dingen zu. Da war sicher mehr im Spiel als nur Alkohol. Ich habe schon von jungen Läuten gelesen, die mit einer Nadel im Arm gefunden wurden. Rauschgiftsüchtig war sie und hat sich zuviel von diesem teuflischen Gift gespritzt. Dieses Gift, es raubt allen den Verstand, sie werden zu wilden Tieren, lügen, betrügen, verkaufen ihre eigenen Eltern und Kinder, nur um an einen weiteren Schuss zu kommen. Und so geht das weiter, bis man sie eines Tages findet, auf einem Klo, erstickt am eigenen Kot. Es ist eine Schande,
eine Schande.